Kritische Perspektiven und akademische Wege: Workshop mit Dr. Caroline Lichuma
Am 16. Oktober leitete Dr. Caroline Lichuma (CHREN) einen Workshop zu kritischen Perspektiven im internationalen Recht und akademischen Laufbahnen in Deutschland.


Am 16. Oktober durften wir Dr. Caroline Lichuma, Postdoktorandin am Centre for Human Rights Erlangen-Nürnberg (CHREN), zu einem Workshop begrüßen, der kritische rechtliche Perspektiven, praktische Forschungseinblicke und eine offene Diskussion über den Aufbau einer wissenschaftlichen Karriere in Deutschland miteinander verband. Im Laufe des Vormittags lud Caroline die Teilnehmenden dazu ein, das Völkerrecht – und das deutsche Lieferkettengesetz – aus einer Perspektive zu betrachten, die sowohl Kritik als auch praktische Implikationen in den Blick nahm.
Der Workshop wurde in Kooperation zwischen der Joachim Herz Graduate School of Law und dem Wissenschaftsraum Go-Chains organisiert. Er brachte eine interdisziplinäre Gruppe von Promovierenden zusammen, um über kritische Ansätze nachzudenken, Herausforderungen in der Wissenschaft zu diskutieren und gemeinsam die Auswirkungen von Regulierungen globaler Wertschöpfungsketten zu reflektieren.
Der Workshop begann mit einer Einführung in kritische Ansätze zum Völkerrecht, die Caroline als ein „common project of critique“ beschrieb. Anstatt das Recht als gegeben hinzunehmen, fragen kritische Wissenschaftler:innen, wessen Interessen es dient, welche Hierarchien es reproduziert und wie es neu gedacht werden könnte, um gerechtere Ergebnisse zu ermöglichen. Dies erinnert uns daran, dass Normen in globalen Lieferketten nicht neutral sind – sie entstehen und wirken in spezifischen politischen und ökonomischen Kontexten. Caroline stellte zudem die Third World Approaches to International Law (TWAIL) vor, die Perspektiven aus dem Globalen Süden in den Mittelpunkt rücken und eurozentrische Annahmen herausfordern. TWAIL, so betonte sie, bedeute, dominante Narrative zu hinterfragen und zugleich Alternativen zu entwerfen, die Gerechtigkeit und Gleichheit ins Zentrum stellen.
Anschließend präsentierte Caroline ihre Forschung zum Lieferkettengesetz. Aufbauend auf Karl Weicks Konzept des Sensemaking und Sally Engle Merrys Theorie der Vernacularization analysierte sie, wie Unternehmen abstrakte Sorgfaltspflichten in alltägliche Routinen übersetzen. Ihre Analyse machte eine häufige Spannung sichtbar: Gut gemeinte Regulierungen können zu „feel-good laws“ werden, wenn Unternehmen sich stärker auf die Erzählung der Compliance als auf tatsächliche Veränderungen konzentrieren. Sie stellte außerdem die Frage nach den Grenzen nationaler Regulierung globaler Lieferketten und thematisierte das übergeordnete Problem von Verantwortung in einer grenzenlosen Wirtschaft.
Der Workshop war für die anwesenden Promovierenden besonders wertvoll. Caroline teilte ihre Erfahrungen zum Navigieren in der deutschen Wissenschaftslandschaft und gab praktische Tipps zu Publikationen, Zusammenarbeit und der Pflege eines interdisziplinären Forschungsprofils. Sie ermutigte die Teilnehmenden, Neugier zu bewahren, eine kritische Stimme zu entwickeln und unterstützende Netzwerke zu suchen.
Caroline Lichumas Besuch war mehr als nur ein Vormittag voller Einsichten. Ihre Offenheit, Ermutigung und persönliche Art hinterließen bei allen Teilnehmenden einen bleibenden Eindruck und zeigten, wie wichtig Mentoring neben der wissenschaftlichen Arbeit ist. Die Begegnung mit ihr erinnerte uns daran, dass Neugier, Ausdauer und kritisches Denken nicht nur für Forschung, sondern auch für den Karriereweg entscheidend sind – und dass Unterstützung und Ermutigung erfahrener Wissenschaftler:innen für Nachwuchsforschende einen echten Unterschied machen können.
Mehr Informationen zu unserem Gast:
Caroline ist Postdoktorandin am Centre for Human Rights Erlangen-Nürnberg (CHREN). Ihre aktuelle Forschung befasst sich kritisch mit regulatorischen Entwicklungen im Bereich Wirtschaft und Menschenrechte. Sie promovierte in Internationalem Menschenrechtsschutz (Summa cum laude) an der Georg-August-Universität Göttingen in Deutschland, erwarb ihren LL.M. im Völkerrecht an der New York University und ihren LL.B. an der University of Nairobi. Caroline ist Mitberichterstatterin des Ausschusses für Wirtschaft und Menschenrechte der International Law Association und Mitherausgeberin des Blogs des Business and Human Rights Journal.
Text & Fotos: Christopher Venzky-Stalling